Gehirndoping ist inzwischen in aller Munde. Es finden sich Berichte darüber in allen Zeitungen und Magazinen. Stud-Blog hat darüber schon vor einem Jahr berichtet (hier und hier), wohl als #1 in Deutschland. Nun scheint es so zu sein: Jeder weitere Bericht beschleunigt einen ohnehin galoppierenden Prozess, der längst nicht mehr aufzuhalten ist. Nie zuvor waren “Studibolika”, so nennen wir sie mal, so begehrt unter Studenten wie im Moment.

Hier die 7 Gründe, warum bald alle Studenten ihr Gehirn dopen:

1. Anreizproblematik
Alle existierende empirische Evidenz verweist auf signifikante kausale Effekte von Bildung auf das private Erwerbseinkommen sowie die individuelle Beschäftigungswahrscheinlichkeit. Akademiker sind seltener arbeitslos (max. 4-5% Arbeitslosigkeit). Akademiker verdienen im Durchschnitt 57% mehr als Nicht-Akademiker, die individuelle Bildungsmenge bestimmt also die Einkommenshöhe. Außerdem bleiben Akademiker auch länger in ihrem Beruf, was die Rentenansprüche verbessert. Weiterhin sind Akademiker viel häufiger entsprechend ihrer Qualifikation beschäftigt. Bildung steht somit im positiven Zusammenhang mit wirtschaftlichem Erfolg bzw. wirtschaftlichen Wohlbefinden. Mit einem Studium kann also viel Geld verdient werden. Demnach sind die Anreize zur künstlichen Leistungssteigerung sehr hoch.

2. Vorbildproblematik
Viele Forscher und Studenten befürworten inzwischen eine systematisch gesteuerte Modifikation der intellektuellen, psychischen und physischen Kapazitäten der menschlichen Spezies durch den Einsatz technologischer Methoden. Inzwischen scheint es gar so, als sei Spitzenforschung ohne medizinische Betreuung gar nicht mehr möglich. Einstweilen sind viele führende Wissenschaftler der Meinung, dass Leistungssteigerung durch Medikamente zulässig sein sollten. Eine besondere ethische Norm, die Gehirndoping unterbinden könnte, scheint es an den Universitäten nicht zu geben. Auch kann nicht von einer zu schützenden gesellschaftlichen Vorbildfunktion der Studenten gesprochen werden. Der Schutz der Öffentlichkeit, wie er etwa im Sport von Dopinggegnern angeführt wird, spielt also kaum eine Rolle.

3. Gesamtgesellschaftlicher Nutzen
Während die Verhinderung von Auswüchsen des Gehirndopings aus gesundheitstechnischen Gründen freilich im Interesse aller Forscher und Studenten liegt (etwa Nebenwirkungen), liegt sie jedoch nicht unbedingt im Interesse der Allgemeinheit und der Universitäten, die an besseren Abschlüssen bzw. neueren Forschungsergebnissen interessiert sind. Denn Bildungsaktivitäten steigern nicht nur das individuelle Einkommen, sondern auch den Reichtum einer ganzen Gesellschaft. Die Gesellschaft ist immer an Wissens-, Fähigkeits- und Fertigkeitszuwächsen, an einer schnelleren und besseren Produktion von Wissen und der Transformation des neuen Wissens durch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten interessiert. Warum sollte man etwas dagegen unternehmen, wenn “Studibolika” das Humankapital verbessert und einen gesellschaftlichen Ertragsüberschuss abwirft?

4. Verbotsproblematik
Bei einem evtl.Verbot würde nur derjenige Student als gedopt gelten, der “Studibolika” anwendet, die auf einer sog. Negativliste vermerkt würden. Das heißt dann aber auch, dass alles, was nicht auf der Liste steht, erlaubt ist. Und das nutzen Studenten sicher gründlich aus. Gehirndoping kann man nicht gerichtsfest als den „Einsatz von Mitteln zur Verbesserung der geistigen Leistungen eines Studenten, der aus leistungsethischen Gesichtspunkten verwerflich ist“, definieren. Eine Verbotsliste, und ein darauf basierendes strafbewehrtes Dopingverbot des Gehirns, führen dazu, dass Doping als das definieren wird, was gelistet ist – sonst nichts. Es wird also nie eine allgemein anerkannte Definition von Doping geben. Es wird aber immer Medikamente geben, die offiziell nicht auf der Gehirndoping-Liste standen, deren Zweck aber Gehirndoping ist! Je strikter das Verbot, desto größer sogar der Anreiz zur Umgehung der Liste. Die Umgehung sichert einen besonders großen Monopolgewinn, was die Nachfrage nach innovativen Mitteln beschleunigt, die noch nicht gelistet sind. Viele Studenten werden dann in ihren Bewerbungsgesprächen cool darauf hinweisen, dass sie nie „positiv getestet“ wurden. Alle werden sich an einem Verbot erfreuen und gleichzeitig stolz sein, dass die Leistung im Studium trotzdem “irgendwie” stimmt. Eine Verbotsliste ist nicht unendlich lang. Warum soll dann z.B. ausgerechnet die Einnahme von etwa Ritalin eine Sünde sein?

5. Testproblematik
Neue Designermittelchen zur Intelligenzverbesserung werden durch Tests gar nicht erst gefunden werden können. Tests müssen immer aufwendig und teuer aktualisiert werden. Sie werden dennoch immer der aktuellen Entwicklung hinterherhinken, zumal Studenten und Forscher bestimmter Fachrichtungen das theoretische, analytische und methodische Wissen haben, um “Studibolika” selbst herzustellen. Außerdem sind diese Tests fehlerhaft, weisen etwa Nicht-Doper als Doper und Doper als Nicht-Doper aus, was wiederum zu anderen ethischen Problemen führt. Weiterhin können Dopingproben ohne weiteres manipuliert werden.

6. Krankheitsproblematik
Niemand kann z.B. Studenten bei bestimmten Erkrankungen Medikamente verweigern. Etwa im Hochleistungssport wird dies permanent ausgenutzt. Eine auffallend hohe Zahl an Leistungssportlern leidet etwa unter Asthma. Und so führt ein Attest dazu, dass einem Student mit „Konzentrationsschwierigkeiten“ die Einnahme leistungsfördernder Medikamente erlaubt, nicht-attestierten Studenten aber verboten ist. Im Laufe der Zeit wird eine immer größere Zahl an Studenten unter “passenden” Krankheiten leiden.

7. Liberalisierungsproblematik
Ob eine generelle oder kontrollierte Freigabe von Gehirndoping ein gängiger Weg ist, um eventuelle Gesundheitsschäden durch Nebeneffekte zu minimieren, ist ebenfalls nicht bekannt. Gehirndoping ist eine dominante Strategie, selbst in einer Situation ohne Verbot. Der Anreiz zu dopen ist immer sehr hoch, womit wir wieder bei 1. ankommen.