Mit jeder Nobelpreisverleihung wächst das Unbehagen in der expandierenden “Preisgeld-Kultur”. Jeder Preisträger hat diese Ehre zweifellos verdient, dennoch, sind diese Mega-Preise – Breakthrough Prize in Life Sciences, Fundamental Physics Prize, Tang Prize, Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, Queen Elizabeth Prize for Engineering, Nobel Prize, Millennium Prize Problems, Blavatnik Awards for Young Scientists, Fields Medal etc. – wirklich eine gute Idee?

Stud-Blog ist der Meinung, man sollte die Tyrannei dieser Luxus-Preise brechen. Und hier steht, warum:

Es ist kaum zu erwarten, dass die winzige Chance auf millionenschwere Preisgelder und zeremoniellen Geniekult tatsächlich die Berufswahl wirklicher Talente beeinflusst. Das Wunderbare an der Wissenschaft ist eigentlich, dass sie sich vorrangig um Erkenntnis dreht und nicht um deren Entdecker. Wissenschaftler sind, im Großen und Ganzen, nicht auf Geld aus – und es ist auch nicht klar, ob die Wissenschaft derlei extrinsische Motivation gebrauchen kann. Top-Preise könnte Fehlanreize bieten, die die Wissenschaftspraxis stören (ähnlich den Boni in der Wirtschaft).

Wissenschaftspreise spiegeln bestehende Trends in der Finanzierung meist nur. Dahinter steckt ein tiefliegendes Problem in der wissenschaftlichen Forschung: Reputation und Ressourcen für einige wenige, bereits Privilegierte aka Matthäus-Effekt. Große Wissenschaftspreise verfestigen diese The-Winner-Takes-It-All-Struktur.

Die Betonung der Bedeutung “einzelner” wissenschaftlicher Durchbrüche verkennt, dass Forschung und ihre Ergebnisse aufeinander aufbauen. Die individuelle Einzelleistung der Preisträger mag sicherlich beeindruckend sein; doch preisgekrönte Arbeiten basieren immer auf der Vorarbeit tausender Wissenschaftler, von mindestens ebenso vielen Institutionen, meist über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten.

Indem sie den intellektuellen Urheber einer wissenschaftlichen Entdeckung auszeichnen und somit benennt, unabhängig davon, wen die wissenschaftliche Gemeinschaft später als wahren “Erfinder” anerkennt, lassen sie außerdem andere Beteiligte unter den Tisch fallen. Die “noblen” Auszeichnungen werden inzwischen als Beweise in Patentstreits angeführt – insofern verstärken Nobelpreise den so genannten Stingler-Effekt der Eponyme, wonach keine wissenschaftliche Entdeckung nach ihrem Entdecker benannt wird.

Auch verstärken die Preise das weit verbreitete Missverständnis, der Grundstein der Wissenschaft sei vor allem die “Entdeckung”. Realiter aber sind es Replikation und Replizierung, die die Akzeptanz einzelner Forschungsergebnisse überhaupt erst ermöglichen, indem sie sicherstellen, was Erkenntnis und was bloß falsche Fährte, Fälschung oder Betrug ist.

Die meisten Preise honorieren stets die gleichen beliebten Gebiete. Das bedeutet letztendlich, dass ein Großteil kreativer und leidenschaftliche Wissenschaftler niemals auch nur eine Aussicht auf einen solchen Preis haben und ihre Felder nur schrittweise voranbringen können, wenn überhaupt. Preise verstärken dieses Missverhältnis.

Durch die meist privat gesponserten Preise riskiert die Wissenschaft zudem ihre Autonomie. Die externen Geldspritzen machen die Forschung anfällig für ideologische Verzerrungen, beeinflussen, was erforscht und gelehrt wird. Bei der Vergabe von Forschungsgeldern und -positionen könnte es ferner dazu kommen, dass nicht allein die Qualität der Forschung zählt, sondern auch die vermeintliche Nobilität des Forschers.

Die “Ungleichzeitigkeit” von Verleihungs- und Forschungspraxis führt dazu, dass die Preis-Ausschüsse entweder zu schnell oder zu langsam arbeiten, um wissenschaftliche Erfolge überhaupt erkennen zu können. Entweder die Würdigung erfolgt verfrüht, für Entdeckungen, die sich später als zweifelhaft entpuppen (Hallo Replikation!) oder zu spät bzw. gar nicht (Hallo Relativitätstheorie!).