Für 2015/16 verzeichnet die VW-Stiftung Freigeist-Fellowships bereits 176 Bewerbungen. Die Förderinitiative sucht seit 2013/14 nach jungen Forscherpersönlichkeiten, die “freigeistig” gegen den Strom schwimmen, voll unbegrenzter Risikofreude und visionärer Tatkraft.

Macht das Sinn, in einer Zeit, in der es der Wissenschaft nicht an vermeintlichen “Durchbrüchen” fehlt, sondern vor allem an Replizierbarkeit?

Der Wettbewerb um begrenzte universitäre Ressourcen – Forschungsstellen und Finanzierung – leistet bereits seinen unsichtbaren Beitrag. Wie sich immer öfter zeigt, nimmt in einem hochgradig kompetitiven Umfeld die Wahrscheinlichkeit zu, dass Zufallseffekte als Ergebnisse publiziert werden und in Theorien eingehen. Anreize für Richtigkeit fehlen weitgehend… Dabei gilt: Je überraschender und vor allem positiver das Ergebnis, desto höher das Risiko, dass dieses Ergebnis schlicht falsch ist.

Tatsächlich sind Kreativität und Originalität, genau danach sucht die Stiftung, per se keine wissenschaftlichen Kriterien, Reliabilität und Validität aber schon. Insofern droht die Stiftung auf gewisse Weise die natürliche Auslese von schlechter Wissenschaft zu beschleunigen, wenn ihre Entscheider ausschließlich nach Novität selektierten.

Auf jeden Fall aber verpassen es die Freigeist-Fellowships mit ihrer Selbstbeschreibung, die gängige Forschungsförderpraxis in Frage zu stellen und so tatsächlich “grandioses Scheitern” – science advances one funeral at a time - zu ermöglichen.

Eine Förderung von Wiederholungsstudien, dem Grundstein der Wissenschaft, etwa wäre sinnvoll und tatsächlich mutig, da diese wissenschaftliche Erkenntnisse gegen Veränderungen des Forschungsgegenstandes sowie Methodenartefakte absichern und so die Zuverlässigkeit der Wissenschaft verbessern.

Ein so ausgerichtetes Stipendium würde signalisieren, dass man sich um Transparenz und Reproduzierbarkeit sorgt, wider dem High-Profile-Bang-for-the-Buck-Mainstream und einem sich ausbreitenden Volkswagening in der Forschung.

Zudem zeigt sich auch hier wieder die Problematik privat finanzierter Forschungsvorhaben: Könnte ein derartig geförderter Forscher beispielsweise unabhängig der Frage nachgehen, warum illegale Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung einiger VW-Fahrzeugtypen so lange unbemerkt verbaut werden konnten? Meistens mangelt es nämlich nicht am Mut des Forschers, wohl aber an der Freigeistigkeit seines Geldgebers…