Zu Diskussionen kommt es während eines Seminars glücklicherweise immer. Diskussionsrunden sind immer auch angebracht. Der Clash der Ideen konvertiert Verwunderung in Bewunderung. Mehr noch, Wissenschaft ist, Philippiken zu halten und andere zu kritiseren. Leider jedoch gibt es ein ganzes Sammelsurium von Argumenten, die immer unangebracht sind, die nicht in eine informierte, konstruktive und fokussierte Diskussion gehören.

Sprache
Kritisiert wird hier nicht falsches Tun, sondern falsches Sprechen (“Dieser Begriff gehört sich nicht…”). Vergitterte Sprachregelungen erschweren aber leider das zum Teil ziemlich subversive Spielen mit Ideen. Wording und korrekte Aussprache debattieren, eine Art Edit-war in Realität, wirkt so, als wären schlicht “grammatische” Fehler gedankliche Fehler. Falsch! Das löst nur Angst vor der Sprache aus. Und wer Angst vor der Sprache hat, der schweigt.

Autorität
In der Wissenschaft werden Gedanken permanent recycelt. Und in Diskussionen sagt man eben gerne Sachen, auch wenn man gerade mal nicht weiß, wer die eigentliche Quelle ist. Ständig darauf hinzuweisen, dass es diesen Gedanken schon gibt, dass die Referenz fehle oder dass man irgendetwas falsch wieder gebe (“Im XYschen Sinne müsste man aber eigentlich sagen…”) etc., schadet der Diskussion.

Miserabilismus
Problemlagen malt er so schwarz (“Das lässt sich niemals testen…”), dass sie verlässlich nicht lösbar erscheinen. Diskussion am Abgrund. Es dient dazu, sich selbst als allerkritischsten Geist darzustellen, der sich von keiner noch so begründeten Forschungshypothese ablenken lässt.

Virtue signalling
Gebasht wird, um damit seinen Kumpels zu signalisieren, dass man cool, anständig und tugendhaft ist (“Nicht dein Ernst, dass du ‘den’ jetzt zitierst…”). Kritik und Empörung sind nur verkleidete Prahlerei, der Versuch für das eigene Genie zu werben. Diese Geltendmachung moralischer Überlegenheit, um sich von anderen differenzieren, kommt wichtig daher, ist aber irrelevant.

Essenz
Läuft der Aufklärungswillen Amok, dann will er überall das innerste Wesen offenbaren, eine irgendwie geartete Metaphysik der Welt (“Toller Erklärung, aber es geht doch um das Verstehen…”). Das Suchen nach einer definitiven Erklärung, einer Essenz, die die Welt revolutionieren könnte, wenn sie dann für alle offen und erkennbar daliegt, führt meist zu weit. Der Forschungspragmatismus des bloßen Modellbeschreibens, die Suche nach Funktion, das “Hauptsache es funktioniert” der Wissenschaft kommt dann zu kurz.

Sofortismus
Der Einlass kommt massiv und stets noch bevor das Gegenargument überhaupt beendet war. Entfesseltes Bestätigungsdenken, welches emotionale Sofortdeutungen dem Warten auf belastbare Faktizität diskontiert (“Du willst doch jetzt nicht sagen…”).

Muttitüde
Meist von Dauerdoktoranten hört man, der Diskutant brauche nur noch etwas Hilfe (“Das konntest du nicht wissen…”). Arrogant und herablassend gestattet die Muttitüde wahre Urteilsfähigkeit und Verantwortlichkeit stets nur sich selber; alles andere wird für intellektuell nicht satisfaktionsfähig gesehen – man nimmt ihm die Ehre wirklicher Kritik.

Fairness bias
Wer ungleichen Argumenten permanent dieselbe Redezeit reserviert, nur um „fair“ zu erscheinen, der verlängert Debatten unnötig (“Eine andere Denkrichtung hingegen…”). Meist gibt es für eine Hypothese einfach härtere wissenschaftliche Beweise – Mut zur “Schlagseite”!


Selbst an kontroversersesten Stellen zu schweigen, bügelt Kritik dort heraus, wo sie hingehört. Das Seminar wirkt dann sehr ausgewogen, fast beruhigend, hat aber zur Folge, dass nicht mehr erschreckt, was entsetzlicher Fehler ist.