Interview mit Julia Offe, Gründerin von Science Slam.

Wissenschaft muss nicht verklausuliert, kryptisch und bierernst sein. Denn Wissenschaft funktioniert auch als bühnenreifes Veranstaltungsformat hervorragend. Science Slams machen Wissenschaft wieder fresh und cool, durchbrechen das mäandernde Elend der Forschungskommunikation. Science Slams sind anders: Gewitzte, anekdotenreiche Vorträge machen selbst komplizierteste Gedanken unterhaltsam.

Seit dem es Science Slams gibt, werden wissenschaftliche Phänomene und Fragestellungen nicht mehr nur in der Universitätsbibliothek oder im überfüllten Vorlesungssaal erschlossen, sondern in populärwissenschaftlichen Kurzvortragsturnieren, bei Bier und Chips, öffentlich ausgetragen. Eine Art wissenschaftlicher Fight-Club, bei dem nicht anonyme Gutachten den Sieger bestimmen, sondern der Applaus der Zuschauer.

Mit Julia Offe, Gründerin von Science Slam, konnten wir von Stud-Blog eine echte Insiderin der Szene befragen:

Stud-Blog: Nochmal fürs Protokoll, was genau ist ein Science Slam?

Julia: Ein Science Slam ist wie ein Poetry Slam für Wissenschaftler. Beim Poetry Slam tragen Nachwuchsdichter in einem bestimmten Zeitlimit ihre selbst geschriebenen Texte vor und das Publikum bewertet die Darbietung. Dabei gehen sowohl der Text selbst als auch die Darstellung in die Bewertung ein. Und genau so ist es beim Science Slam: nur mit dem Unterschied, dass es hier um die eigene Forschung statt um eigene Texte geht! Die Nachwuchswissenschaftler haben jeweils 10 min Zeit, um ihre Forschungsprojekte zu erklären. Dabei ist alles erlaubt: sie dürfen PowerPoint verwenden, Requisiten mitbringen, Experimente vorführen – egal was, hauptsache, sie erklären dem Publikum, an was sie gerade forschen.

Stud-Blog: Du bist Slammasterin – wieso tust du das?

Julia: Ich bin selbst Molekularbiologin – ein Fach, dem viele zumindest Unverständnis, einige sogar Argwohn entgegenbringen. Tatsächlich bin ich schon gefragt worden, ob wir bei uns im Institut auch an Biowaffen arbeiten! Daher finde ich es wichtig, dass wir Forscher unsere Arbeit erklären. Schließlich wird gerade in der naturwissenschaftlichen Forschung auch viel Geld ausgegeben, und das ist zumeist Steuergeld. Da ist es nur fair, wenn wir auch erklären, was wir machen. Zum anderen investieren viele Nachwuchswissenschaftler sehr viel Zeit in ihre Forschung und sind mit viel Leidenschaft dabei. Doch nur wenige Außenstehende nehmen davon Notiz. Der Science Slam bietet eine Möglichkeit, dass Jungforscher von ihren Themen erzählen – und zwar in einem ungewöhnlichen Rahmen. Nicht wie auf einer wissenschaftlichen Konferenz, wo man versucht, seine Ergebnisse in ein möglichst “schönzureden”, sondern in einfachen Worten, und mit den Schwerpunkten darauf, weshalb man sich selbst, ganz persönlich, für dieses Thema interessiert. Eben so, wie man es seinen Freunden oder seinen Eltern erzählen würde. Diese Möglichkeit haben Wissenschaftler sonst nicht.

Stud-Blog: Wer schaut sich das an?

Julia: Das Publikum besteht sicher zu einem großen Teil aus Studenten. Aber längst nicht nur, es gibt auch viele Zuschauer, die ihre Studienzeiten schon lange hinter sich haben. Und es kommen auch viele, die selbst gar nicht studieren oder studiert haben. Und es kommen auch immer wieder Schüler, die sich demnächst für ein Studienfach entscheiden wollen, und die mal von den Studenten und Doktoranden selbst hören wollen, was man in den einzelnen Fächern so forscht. Ein sehr gemischtes Publikum – ich kenne sogar eine 78jährige, die in Hamburg bisher bei jedem Science Slam war!

Stud-Blog: Wer trägt bei so etwas vor? Gibt es einen typischen Science Slammer?

Julia: Ich denke, man kann die Science Slammer in zwei Typen unterteilen: die einen machen es, weil sie der Überzeugung sind, dass Wissenschaft kommuniziert werden muss, die das als Auftrag an die Wissenschaftler sehen – aber auch als Auftrag an die Zuhörer, sich eine Meinung zu wissenschaftlichen Themen zu bilden und die vielfach anzutreffende Distanz zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu überbrücken. Und die anderen sind die, die sich auf einer Bühne einfach wohl fühlen – kurz: die Rampensäue. Natürlich gibt es fließende Übergänge zwischen den beiden Typen.

Stud-Blog: Wissenschaft als Bühnenstück, geht das überhaupt?

Julia: Ja, das geht total gut! Ich habe es am Anfang auch nicht geglaubt, aber es funktioniert. In den meisten Slambeiträgen gelingt es den Slammern tatsächlich, ihr Forschungsthema so weit zu simplifizieren, dass bei den Zuschauern etwas hängenbleibt – etwas, über das sie vorher noch nie nachgedacht hatten. Das ist das, was ich am Science Slam so toll finde.

Stud-Blog: Führt die Popularisierung und Eventisierung von Wissenschaft nicht zu unangebrachter Oberflächlichkeit und Verkürzungen?

Julia: Gegenfrage: Muss Wissenschaft kompliziert klingen, um ihre Berechtigung zu haben? Und ist es nicht für die Wissenschaft an sich von unschätzbarem Wert, wenn sich junge Leute auf eine Bühne stellen und sagen: ich bin jeden Tag 12 Stunden im Labor oder sitze am Schreibtisch, um eine Antwort auf diese eine Frage zu bekommen? Ich denke, diese Neugierde, die Wissenschaftler antreibt, und dieses Glücksgefühl, das eintritt, wenn man etwas wirklich Neues herausfindet – das ist kaum besser darstellbar als bei einem Science Slam.

Stud-Blog: Wie gewinnt man einen Science Slam?

Julia: Schwer, da einen Tipp zu geben. Man sollte unterhaltsam sein, aber die Wissenschaft sollte im Mittelpunkt stehen. Und man sollte sich vor allem Mühe geben, sein Thema auf eine einzige Frage zu reduzieren – und sich dann darauf konzentrieren, dem Publikum diese eine Frage zu erklären.

Stud-Blog: Wer sind die drei beste Science Slammer in Deutschland? Wie sieht es international aus?

Julia: Der Science Slam ist ein Format, das in Deutschland seinen Ursprung hat – international haben erst weniger Länder nachgezogen, etwa Schweden, Österreich und die Schweiz. Letztes Jahr gab es zum ersten Mal Deutsche Meisterschaften im Science Slam: die drei besten Slammer waren der Ingenieur Martin Buchholz aus Braunschweig, der Physiker André Lampe aus Berlin und der Medienwissenschaftler Martin Storbeck aus Ilmenau.

Stud-Blog: Gibt es etwas, dass man als Student oder Wissenschaftler, vielleicht sogar als Professor, für den Unialltag lernen kann?

Julia: Vor allem denke ich, dass man lernen kann, dass es immer darum geht, dass die Zuhörer den Redner verstehen. Und nicht etwa darum, dass sie ihn bewundern oder beneiden. Auf Augenhöhe mit seinem Publikum zu sprechen und auch mal zu riskieren, dass ein Teil des Publikums das Dargestellte schon kennt – aber dadurch zu erreichen, dass niemand zwischendurch abschaltet, weil er oder sie den Faden verloren hat.

Stud-Blog: Wie kann man selbst aktiv werden?

Julia: Präsentiert werden können Bachelor-, Master-, Magister- und Diplomarbeiten genauso wie Promotionsthemen und andere Forschungsprojekte. Meldet Euch bei info[at-zeichen]scienceslam.de – von dort aus wird auch auf andere Veranstalter in eurer der Nähe verwiesen.

Stud-Blog: Julia, wir danken dir für dieses Gespräch.